So steht es auf den ersten Seiten des Tagebuchs, das
Balthasar Kleinschroth, der Präfekt der Heiligenkreuzer Sängerknaben, verfasst
hatte und in dem er seine abenteuerliche Flucht quer durch Niederösterreich
schilderte. Als nachts der Feuerschein brennender Dörfer bereits vom
herannahenden Feind kündete, war er mit den zehn ihm anvertrauten Knaben aufgebrochen.
Der Ausgang der Reise war ungewiss. Deshalb nahm er wie so viele in dieser
hoffnungslosen Zeit Zuflucht bei der Gottesmutter Maria. Im Falle eines
glücklichen Endes gelobte er, eine Schilderung der Ereignisse niederzuschreiben
und sie der „Schwarzen Maria“ nach Altötting zu bringen.
Einnahme Perchtoldsdorf durch die Osmanen
1683 (Detail)
Jakob
Dietzinger, 1700; Perchtoldsdorf,
Rathaus
© Elisabeth Vavra
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Am 1. Juli waren die Tartaren noch an der Raab gestanden. Am
3. Juli waren sie bereits bei Bruck an der Leitha. Diese Vorauskommandos – die
„Renner und Brenner“, auch Akindschi (=Stürmer) genannt – waren schnell. Sie waren ein
undisziplinierter Haufen wilder Krieger, die sich zwar für reguläre Kämpfe
nicht eigneten, aber bestens dafür, die Bevölkerung des angegriffenen Landes in
Angst und Schrecken zu versetzen und die Versorgungslinien zu unterbrechen. Im
Kampf beherrschten sie alle Tricks und Taktiken der Steppenreiter; ihre Waffe
war der Reflexbogen.
Einnahme Perchtoldsdorf durch die Osmanen
1683 (Detail)
Jakob
Dietzinger, 1700; Perchtoldsdorf,
Rathaus
© Elisabeth Vavra
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Am 7. Juli kam es im Raum Petronell-Regelsbrunn zum ersten
Aufeinandertreffen von Kaiserlichen und Tartaren, die für die Kaiserlichen
unrühmlich verlief. Man zählte ca. 300 Gefallene. Das Gefecht war zwar im
Ganzen betrachtet unbedeutend, es wirkte sich aber demoralisierend auf die
Wiener Bevölkerung aus. Wer es sich leisten konnte, floh aus der Stadt, an die
60.000 Menschen sollen es gewesen sein. An der Spitze der Herrscher, seine
Familie und der Hofstaat. Zur Ehrenrettung Kaiser Leopolds I. muss allerdings
gesagt werden, dass es von ihm taktisch richtig war, Wien zu verlassen, auch
wenn es ihm bei den Wienern Spott und Hohn einbrachte. Aus einer belagerten
Stadt heraus wäre es ihm nie gelungen, den Widerstand gegen das osmanische Heer
zu organisieren. Sieben Tage danach war der Belagerungsring um Wien
geschlossen.
Ausstellungsansicht "Kriegsschauplatz Niederösterreich", Foto: Gerald Lechner |
Lagen die Burgen oder Orte abseits der Hauptroute, waren sie
meist nur Angriffsziele für die Akindschi, denen es um rasche Beute ging. Da
genügte dann oft bereits eine kleine Schar mit Feuerwaffen ausgerüsteter
Schützen, die es verstanden zahlenmäßige Überlegenheit vorzutäuschen, um die
Angreifer zu vertreiben. Aber für eine solche Tat musste ausreichend Munition
und vor allem Mut vorhanden sein. An beiden mangelte es häufig. Die Menschen in
den belagerten Orten wussten in den meisten Fällen nicht, wer da vor den Toren
stand: Waren es „nur“ Akindschi oder war es die Hauptarmee? Warum sollte man da
nicht ein Kapitulationsangebot des Feindes annehmen, um das Schlimmste zu verhüten?
Auch in Wien errichtetn man zur Vorsicht drei Schnellgalgen, um den Gedanken an
Kapitulation gleich gar nicht aufkommen zu lassen. In Perchtoldsdorf, in
Hasendorf und Rohrau, und vermutlich auch in Mödling, Baden und Hainburg kam es
zur Kapitulation – mit verheerenden Folgen.
Ausstellungsansicht "Kriegsschauplatz Niederösterreich", Foto: Gerald Lechner |
Salva
Guardia (Schutzbrief) für Bruck an der
Leitha
Mehmed Aǧa, Ödenburg, 20. Juli
1683
Bruck an der
Leitha, Stadtarchiv
© Bruck an der Leitha,
Stadtarchiv
|
„ In dem Markt Perchtoldsdorf sahen wir auf dem Platz mehr
als 300 Personen tot liegen, ohne die, so unter einem verfallenen Haus lagen,
deren viele meine Blutsfreunde waren. Bei dem Kirchentor an der ersten Mauer
lag der Marktrichter noch in seinen grünen seidenen Strümpfen, noch gar wohl zu
erkennen, auch ein Freund von mir. Die Brücke über den Graben in die Kirche war
abgebrannt, daher mussten wir in den Graben hinuntersteigen und auf der anderen
Seite hinauf in den Kirchhof, in dem sehr viele tote Leute abermals zu sehen
waren. Und unter anderem lag vor der Kirchentür ein kleines Mägdlein, noch in
ihren Kleidern. In der Kirche war es ein Gräuel anzusehen, wie viele Leiber
ganz verbrannt übereinander lagen. Es war ein solcher Gestank, dass ich nicht
weiß, auf welche Art ich ihn beschreiben soll oder womit er zu vergleichen
wäre. Der große und starke Turm war ebenfalls voll von solchen verbrannten und
gebratener Körper.“
Der Zeremonienmeister vermerkte in seinem Kriegstagebuch nur
lakonisch, dass man den Markt Perchtoldsdorf mit einer üblichen Kriegslist –
„müdara“= Katzenfreundlichkeit – erobert hätte. Wer „müdara“ anwendete, galt im
osmanischen Kulturkreis als ehrenhaft und schlau. Der Zeremonienmeister zeigte
sich verwundert über die Dummheit der Christen, die sich so leicht durch das
Theaterspiel der Tartaren hätten täuschen lassen.
Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra
Lit.:Flucht und Zuflucht. Das Tagebuch des Priesters Balthasar
Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683, hg. von P. Hermann Watzl S.O.CIST.,
(Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich 8) Wien 1983; Gregor
Gatscher-Riedl, Perchtoldsdorf 1683. Wahrheit, Mythen und kollektive
Erinnerung, in: Kriege – Seuche – Katastrophen (Studien und Forschungen aus dem
Institut für Landeskunde 46), St. Pölten 2007, 209–228; Harald Lacom,
Niederösterreich brennt! Wien 2009.
Die Ausstellung "Kriegsschauplatz Niederösterreich" ist noch bis 31. Juli 2016 im Landesmuseum Niederösterreich zu sehen.
Die Ausstellung "Kriegsschauplatz Niederösterreich" ist noch bis 31. Juli 2016 im Landesmuseum Niederösterreich zu sehen.
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